Cedarberg-Wildnis, Rock Art und
ein seltsamer Ort namens Wuppertal
Wer zwei Stunden
Zeit übrig hat … nimmt sich ein Bier und setzt sich vor den Fernseher. Wer aber
zwei Tage Zeit hat, der nimmt sich seine
Frau, setzt sich ins Auto und fährt in die Wildnis. Das Ziel war die Cedarberg-Wildnis, nur 2,5 Fahrstunden nördlich von
Kapstadt. Nun, wir hatten sogar drei Tage Zeit und haben deshalb Nebenstrecken
durch die Berge gewählt, das dauert dann 7 Stunden.
Unsere erste Station
war Citrusdal und wie der Name schon sagt werden hier
Zitrusfrüchte angebaut, und zwar in riesigen Mengen. Weit über 2 Mio. Kisten
Obst mit nahezu 100.000 t Gewicht verlassen jährlich den Ort. Das meiste wird
exportiert, auch in Deutschland sind die Cape-Orangen bekannt. Hier hält Dagmar
ihre erste selbstgeklaute Orange in der Hand:
Obwohl sich das
Klauen kaum lohnt, denn in der Haupterntezeit bekommen wir manchmal für 1€
14kg. Kurz hinter Citrusdal fängt die Cedarberg Wilderness Area mit ihrer atemberaubenden Landschaft an, ein raues
Gebirge mit einer Größe von 71.000 ha, welches komplett unter Naturschutz
steht. Die einzige kleine Ansiedlung ist die Forststation Algeria,
welche so genannt wurde weil die Landschaft an das Atlasgebirge erinnert.
Wir fahren aber
weiter in den kleinen Ort Clanwilliam. Von hier, und
zwar nur von hier, kommt der berühmte Rooibos-Tee.
Alle Versuche, den Rotbusch anderswo in Südafrika und sogar in Australien oder
Amerika anzubauen, scheiterten. Denn bei aller Einfachheit ist der Busch doch
anspruchsvoll: Er braucht heiße und trockene Sommer, Winterregen, eine Lage
oberhalb von 450 Metern und sandige Böden. Diese Bedingungen scheint es nur
hier zu geben, im Sommer wird es richtig heiß, 45 Grad sind an der
Tagesordnung. Etwa 400 Farmer leben vom Teemonopol, 6.000 Tonnen werden
produziert und fast alles exportiert, die Hälfte davon nach Deutschland. Nicht
nur für Tee wird der Rotbusch verwendet, sondern auch für Medikamente und zum
verfeinern von Speisen. So hat jedes Restaurant im Ort auch Rooibos-Gerichte
auf der Karte.
Jetzt im Frühjahr
waren die Temperaturen sehr angenehm und normalerweise sind die Wildblumen
überall in voller Blüte. Dieses Jahr hatte es aber zu wenig geregnet, so dass
die Pracht völlig ausgeblieben ist. Nur am Clanwilliam-Stausee
haben wir ein paar hübsche Flecken entdeckt.
Hier haben wir auch
übernachtet, wie immer in einem kleinen, gemütlichen, sehr persönlichem Bed & Breakfast Haus. Es gibt
zwar auch ein Hotel, aber wir lieben diese individuell gestalteten, vom
Besitzer selbst geführten Häuser. Sie sind preiswert und gute Tipps sind immer
inklusive.
Am nächsten Tag ging
es zu unseren eigentlichen Zielen, den Buschmannzeichnungen und einem seltsamen
Ort mit dem Namen Wuppertal. Dieses Gebiet war jahrtausendelang der Lebensraum
der Buschmänner und sie haben ihre Spuren in Form von Felszeichnungen
hinterlassen, manche davon sind 8000 Jahre alt. Es soll mehr als 2500
Zeichnungen geben, die größte Ansammlung dieser historischen Kunstform der
Welt. Wir haben gehört, dass es auf einem Farmgelände einige schöne Exemplare
geben soll, also haben wir uns aufgemacht. Zunächst fahren wir komfortabel über
den wunderschönen Pakhuis Pass, die Farm war danach
schnell gefunden.
Der Farmer empfing
uns sehr freundlich und erklärte uns, dass er einen Weg markiert habe, der
einfach zu bewältigen sei. Da waren wir aber froh, obwohl mich die drahtige
Figur des Mannes hätte stutzig machen sollen… Er machte uns noch darauf
aufmerksam, dass wir am Ende nicht den ganzen Pfad zurückgehen bräuchten,
sondern auch runter zum Fluss gehen können, diesen überqueren und dann auf
einer Straße zurückkämen. Fröhlich machten wir uns auf den Weg, doch schon nach
10 Minuten erkannten wir, dass es eine schöne Kraxelei werden könnte.
So war es denn auch,
wir mussten uns gegenseitig die Felsen hochziehen, uns durch enge Stellen
quetschen und durch dichtes Buschwerk schlagen. Der Aufwand hat sich aber
gelohnt, wir haben dutzende von Zeichnungen entdeckt, meistens unter
Felsvorsprüngen, unter denen die Buschleute gelagert haben. Mit ein wenig
Fantasie machte man eine Zeitreise und tauchte in die längst vergangenen Zeiten
der Buschleute ein. Manchmal malten sie Fabelwesen, die wohl in Trance
entstanden, meistens aber Menschen oder Tiere, die sie aus ihrer Umgebung
kannten. Hier sind ein paar Beispiele:
Das hier war wohl
ein Quagga, ein zebraähnliches, inzwischen
ausgestorbenes Tier. Hübsch ist auch dieses neugeborene Zebra- oder Quaggafohlen, noch unsicher auf den langen weichen Beinen:
Manche Ablichtung
erforderte vollen Einsatz:
Unter diesem Felsen
findet man diese seltsam unfertigen Tierkörper mit Menschenfüßen – der Maler
muss auf dem Rücken gelegen haben:
Sehr gut gelungen
ist der Bogenschütze
oder die Reihe der
sieben tanzenden Frauen
Schon erstaunlich,
dass diese Zeichnungen Jahrtausende überstanden haben. Nach diesen spannenden
Entdeckungen wollten wir den anstrengenden Weg nicht mehr zurückgehen, sondern machten
uns auf die Suche nach dem Fluss. Das gestaltete sich als äußerst schwierig, da
nichts mehr ausgezeichnet war und uns immer wieder dichte Rotbüsche,
umgestürzte Bäume und Treibsand den Weg versperrten. Drei Stunden sind wir
umhergeirrt, bis wir endlich den Fluss überqueren und nach einigen Kilometern
unseren Ausgangspunkt erreichen konnten. Jetzt wollte ich den Farmer anmeckern,
der hatte sich aber aus dem Staub gemacht. Seine Frau war aber da, die uns
gleich ein Stück Schokoladenkuchen zum Ausgleich der zuviel verbrauchten
Kalorien anbot. Das fand ich jetzt wieder nett. Später erfuhren wir, dass es
wohl normal ist, sich zu verirren, andere Leute hätten schon mehr als 4 Stunden
gebraucht. Da haben wir ja richtig Glück gehabt.
Unser nächstes Ziel
war Wuppertal, eine Missionsstation mitten im Nirgendwo. Jetzt war es auch
vorbei mit ausgebauten Straßen und es ging auf eine steinige Piste.
Eigentlich ist die
Strecke nur mit einem Geländewagen zu bewältigen, aber unser Jetta hat es auch
geschafft, wenn auch oftmals nur mühsam im ersten Gang.
Nach einer
stundenlangen Fahrt, während der man schon längst die Hoffnung aufgegeben hat,
jemals wieder auf ein menschliches Wesen zu treffen, taucht wie eine Oase der
Ort auf.
Wuppertal wurde 1830
im Auftrag der Barmer Mission von rheinischen
Missionaren gegründet, also lange vor dem deutschen Wuppertal. Was aber hat die
Missionare bewogen, hier mitten in der Wildnis eine Missionsstation zu
errichten? Damals gab es noch Sklaverei und da die Sklaven von ihren
Herrschaften oftmals sehr schlecht behandelt wurden, sind sie in die Wildnis
geflohen. Wenn man sie erwischt hätte, wären sie erschossen worden, genauso wie
die Buschmänner, die damals noch offiziell gejagt werden durften. Diese
Menschen galt es zu schützen und sie fanden Zuflucht in der Station. Man baute
Gemüse und Getreide an und errichtete Werkstätten, denn man konnte ja nicht
einfach zum Einkaufen gehen. Der Aufbau war sehr mühsam, alle Steine mussten
selbst gebrannt und das Bauholz selbst geschlagen werden. Darum hat es auch 10
Jahre gedauert, bis die Kirche fertig war.
Hier scheint die
Zeit stehen geblieben zu sein. Heute leben noch 4000 Nachfahren der Sklaven und
Buschleute in eher ärmlichen Verhältnissen in Wuppertal. Bevorzugtes
Beförderungsmittel ist hier immer noch der Eselskarren.
Selbst die
Schuhfabrik aus der Gründerzeit gibt es noch. Hier werden noch immer die
berühmten „Feldschuhe“ (Veldskoens) in Handarbeit
hergestellt.
Die Geschäfte
scheinen aber nicht besonders gut zu gehen, denn inzwischen arbeitet nur noch
ein Mann in der Fabrik.
Der ganze Ort wirkt
ein wenig heruntergekommen, auch das Postamt hat wohl schon bessere Zeiten
gesehen.
Es gibt aber Hoffnung,
denn immer mehr Städter erkennen den Reiz dieser Abgeschiedenheit, renovieren
einige der alten Häuser und nutzen sie als Wochenenddomizil.
Wir jedenfalls
wünschen Wuppertal eine bessere Zukunft, damit solch ein Kleinod weit abseits
der Touristenströme nicht verschwindet.
Gut, dass wir uns
ein paar Tage Zeit genommen hatten, so hatten wir wunderbare Erlebnisse in und
hinter den Cedarbergen, einer echten Wildnis, nur 2,5
Stunden von Kapstadt entfernt.