Starke Frauen, Häuslebauer und der Eiermann

 

Bisher habe ich ja hauptsächlich über unser Leben, einige Kuriositäten und die großartige Natur berichtet. Es gibt aber auch eine andere Seite und das ist die Armut. 70% der Bevölkerung gelten als arm, d.h. sie haben weniger als 250€ im Monat zur Verfügung und meistens sind es die Schwarzen. Der Grund der Armut ist vielfältig. Wie überall ist nicht genügend Arbeit für die Menschen da, aber die Apartheid hat auch ihre Spuren hinterlassen. Damals hat man den Schwarzen den Zugang zu Bildung verweigert, man hat sie aus den Städten vertrieben und weit vor der Stadt angesiedelt oder schlimmer noch in so genannte Homelands verbracht. Das war mitten in der Wildnis und dort gab es überhaupt keine Arbeit, also ist man wieder in die Nähe der Städte gezogen, hat sich dort eine Bretterhütte gebaut und auf Arbeit gehofft. Dazu kamen Wanderarbeiter, die eigentlich nur saisonal eingesetzt werden sollten und die sich auch niederließen. Auch aus anderen Teilen Afrikas, wie z.B. Somalia, Kongo, Ruanda, Simbabwe usw. kamen die Menschen. So entstanden die Townships, eine für den Außenstehenden elende Ansammlung von Hütten. Auch heute noch, 15 Jahre nach Ende der Apartheid, sieht man viele dieser Siedlungen. Die meisten Weißen interessiert das nicht und sie meiden die Wohngebiete der Schwarzen. Südafrika hat zwar die demokratischste Verfassung der Welt, gegen die Apartheid in den Köpfen hilft es aber nicht. Es gibt aber Hoffnung, viele Organisationen und Einzelpersonen geben Hilfe zur Selbsthilfe und legen so den Grundstock zur Bekämpfung der Armut und somit auch zur Bekämpfung der Kriminalität. Eine dieser Organisationen ist „Habitat for Humanity“, sie bauen Waisenhäuser und Kindergärten, aber sie unterstützen auch die Leute beim Hausbau, und zwar so, dass sie selber in der Lage sind, Häuser zu bauen, bzw. selber solche Projekte zu führen. So findet langsam ein Wandel in den Townships statt. Um diesen Wandel besser zu verstehen, schaut man sich die Projekte am besten selber an. Das haben wir gemacht, indem wir das Township Mfuleni in der Nähe von Kapstadt besucht haben. Wir haben solche Besuche schon öfter gemacht, aber diesmal haben wir unsere Besucher Marion und Gerhard mitgenommen, um ihnen auch diese Seite des Lebens zu zeigen. Es wurde eine interessante Begegnung mit starken Frauen, vielen gutgelaunten Menschen, Häuslebauern und dem Eiermann.

 

Zuerst werden wir von Nothemba in das Haus von Ann eingeladen. Nothemba bekommt grade ein neues Haus und ihre Freundin Ann koordiniert die Bauarbeiten und ist noch auf der Baustelle.

 

 

Nach einem Plausch über das Leben erscheint auch Ann und wir machen gemeinsam einen Rundgang durch das Township. Ziel ist das neue Haus von Nothemba. Unterwegs werden wir überall freundlich gegrüßt und viele möchten fotografiert werden. So wie diese Arbeiter, der Fahrer stieg voll in die Bremse, so dass die Jungs fast vom Wagen gefallen wären.

 

 

Es begegnen uns fröhliche Schülerinnen in ihren Schuluniformen, die auf dem Weg nach hause sind.

 

 

Der Gemüsehändler hat sich einen Sonnenschutz aus Zwiebeln gebastelt:

 

 

Dabei ist, vielleicht unbewusst, ein kleines Kunstwerk entstanden:

 

 

Am Rande der Siedlung kommen wir in ein neu erschlossenes Gebiet, dort sieht es noch ziemlich trostlos aus:

 

 

Hierzu muss ich einiges erklären. Laut Verfassung hat jeder das Recht auf eine Grundversorgung mit Strom, Wasser, Toiletten, Abwasser und Müllabfuhr. Keine leichte Aufgabe für den Staat, denn die Leute lassen sich irgendwo nieder und sagen dann „So, hier sind wir, jetzt gebt uns, was uns zusteht“. Die Erschließung ist aber wichtig, um Slumbildungen, wie man sie aus Staaten der Dritten Welt kennt, zu verhindern. Darum wird das Gebiet in Grundstücke eingeteilt und jedem eine Toilette hingestellt. Das geht natürlich nicht von Heute auf Morgen, darum ist auch hier jede Privatinitiative willkommen.

 

 

Vorher muss man sich aber um ein Haus beworben haben, dazu müssen verschiedene Voraussetzungen wie Mindest- und Maximaleinkommen gegeben sein. Es wird dann nach einer langen Wartezeit auf dieses Grundstück, wo jetzt die Hütte steht, gebaut. Dann könnte die Hütte und die Toilette abgerissen werden. Könnte, aber die meisten lassen beides stehen, weil sofort die Verwandtschaft auf der Matte steht, die Hütte bezieht und dann ja auch gleich ein Klo hat. Und so wird man die Bretterbuden nie los. Die Familienbande ist ja hier sehr fest. Das macht teilweise Sinn, ist aber auch manchmal ein Problem. So wird alles mit der Familie geteilt, wenn z.B. jemand ein Geschäft aufmacht und Geld verdient, müsste er es eigentlich sofort wieder investieren, kann er aber nicht, weil er das Geld gleich verteilen muss. So kann man natürlich nie auf einen grünen Zweig kommen. Das ist natürlich auch eine Mentalitätsfrage, so ist z.B. das Zukunftsdenken nicht besonders ausgeprägt.

 

Das Haus gibt es nicht umsonst, es kostet ca. 12.000 €, davon übernimmt der Staat 6.000, 3.000 müssen als Anzahlung vorhanden sein und die restlichen 3.000 können über viele Jahre abgestottert werden. Außerdem muss der Innenausbau selbst gemacht werden. Die meisten können aber die Anzahlung von 3.000€ nicht aufbringen und darum können diese als Eigenleistung erbracht werden. Aber auch das kann fast niemand. Hier kommen jetzt Organisationen wie „Habitat for Humanity“ ins Spiel, wo Freiwillige aus aller Welt den Einwohnern beim Hausbau helfen. Ein anderes Beispiel sind irische Handwerker. Vor ein paar Jahren haben 6 irische Bauarbeiter ihren Urlaub geopfert und haben Häuser gebaut. Inzwischen sind es über 100 Iren, die jedes Jahr wiederkommen. Sie haben sich vorgenommen, in Mfuleni 400 Häuser zu bauen. Trotzdem ist das alles nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Darum haben sich die Frauen des Townships zusammengetan und sich zeigen lassen, wie man Häuser baut, wie man Bauarbeiten koordiniert, wie man Material beschafft, wie man Kontakte knüpft und wie man die Menschen zur Nachbarschaftshilfe motivieren kann. Nun helfen sich die Nachbarn gegenseitig, selbst die Farbigen helfen den Schwarzen, was vor ein paar Jahren noch undenkbar gewesen wäre. Überhaupt haben die Frauen hier das Leben in die Hand genommen. Sie haben Werkstätten für Schmuck, Kindergärten, Nähstuben und vieles mehr gegründet. Und nun haben sie auch den Hausbau übernommen. Die Männer arbeiten entweder außerhalb, sind einfach verschwunden oder hängen nur rum. Zu diesen starken Frauen gehört auch Ann. Neben dem Häuserprojekt managed sie auch die Schmuckwerkstatt und kümmert sich um die Vermarktung. Sie machen z.B. sehr schöne Schlüsselanhänger, die der Juwelier Uwe Koetter jetzt in großer Anzahl erworben hat.

 

Auf unserem weiteren Weg kommen wir an einigen Grillstationen vorbei, die auf Kundschaft vom nahe gelegenen Busbahnhof warten. Sie unterscheiden sich doch deutlich von einem Foodcourt in einem glitzernden Einkaufszentrum.

 

 

Endlich haben wir auch die Baustelle von Nothembas Haus erreicht. Wir sind natürlich die große Attraktion und die ganze Nachbarschaft strömt herbei.

 

 

Die Kleine kann es kaum fassen, was da für seltsame bleiche Wesen erschienen sind.

 

 

Das muss sie gleich ihrem Bruder erzählen, aber der scheint skeptisch zu sein und kann es kaum glauben.

 

 

Stolz präsentiert sich Nothemba mit den Bauarbeitern vor ihrem neuen Haus. Für sie wäre es das erste Mal in ihrem Leben, dass sie ein festes Dach über dem Kopf hat.

 

 

Hier haben wir auch die Gelegenheit, mit Nachbarn und den Arbeitern zu reden. Es herrscht eine erstaunlich positive Stimmung. Alle sind sich einig, dass sie in eine großartige Zukunft schauen. Die Zeit der Unterdrückung wäre jetzt vorbei und ihnen stehen alle Möglichkeiten offen. Vieles wäre schon besser geworden und der Wandel wäre doch deutlich sichtbar. Auf uns wirkt es etwas beschämend angesichts des Luxus, in dem wir leben.

 

Auf unserem Rückweg muss Dagmar mal aufs Klo. Irgendjemand wird gefragt und selbstverständlich darf sie das Örtchen benutzen, welches sehr gepflegt war. Als Gegenleistung müssen wir den stolzen Hausbesitzer fotografieren:

 

 

Gleich nebenan ist eine „Möbelfabrik“. Hier werden aus alten Paletten und Obstkisten Polstermöbel gemacht.

 

 

Sie sind gut gelungen und bequem sind sie auch.

 

 

Neben mir sitzt Jasmin Johnson von Ukubona Africa Tours, sie hat bei „Habitat for Humanity“ bei verschiedenen Projekten mitgeholfen, hat die Kontakte hergestellt und uns so zu den wunderbaren Begegnungen verholfen.

 

Plötzlich höre ich eine laute Stimme: „He, schön dich zu sehen, wie geht es dir?“ Da dies keine ungewöhnliche Frage ist, antworte ich: „Danke, sehr gut, und dir?“ „Auch sehr gut, aber kennst du mich denn nicht mehr, ich bin doch der Eiermann?“ „Ach, der Eiermann, ja so eine Überraschung!“ Jetzt muss ich wohl erstmal erklären, wer der Eiermann ist. Er heißt Gregory da Silva und kommt aus Benin, einem kleinen Staat in Westafrika. In der Fußgängerzone von Kapstadt läuft er mit einem Phantasiekostüm und einem riesigen Hut oder besser Kopfskulptur herum und führt dabei mit einem alten umgehängten Telefon fiktive Gespräche mit Nelson Mandela, George Bush usw. Der Kopfschmuck besteht zum großen Teil aus Eiern, für ihn ein Symbol des Lebens und damit positiv besetzt. Darum wird er der Eiermann genannt und ist eine Touristenattraktion. Die Touris lassen sich mit ihm fotografieren und können ihm dann eine kleine Spende geben. Inzwischen tritt er auch auf vielen Festivals und Veranstaltungen auf und nicht nur sein Humor, sondern auch sein ansteckendes Lachen ist berühmt.

 

 

Wir sind ihm in Kapstadt beim Vorbeigehen begegnet und ich habe ihn dabei angelächelt, sonst nichts. Umso erstaunlicher fand ich es daher, dass er sich an uns erinnerte. Er hat sofort die ganze Gesellschaft in sein Haus eingeladen und schnell was zu trinken besorgt. Es scheint ihm nicht schlecht zu gehen, er hat ein doppelstöckiges Haus, wohl das größte im ganzen Township, was er sich in 5 Jahren selber gebaut hat. Das Wohnzimmer mit einem riesigen Rückprojektionsfernseher ist bis obenhin gefliest. Gut, ich möchte so nicht wohnen, aber für ihn ist es wohl der Inbegriff von Luxus. Es ergab sich eine nette Unterhaltung und er hat interessante Geschichten aus seinem Leben erzählt.

 

 

In Benin hat er Computerwissenschaften studiert, es hat ihn aber immer zum Theater gezogen, was aber in Benin eine ziemlich brotlose Kunst war. So ist er nach Kapstadt gekommen und hatte die Idee mit dem Eiermann. Zunächst ist er verhaftet worden, man wusste aber nicht so recht, was man ihm eigentlich vorwerfen sollte. So hat man die damalige Bürgermeisterin von Kapstadt, Hellen Zille, um Rat gefragt. Die fand den Typ klasse und sah in ihm eine tolle Touristenattraktion. So durfte er bleiben und wird seitdem von den Behörden in Ruhe gelassen. Das fanden auch Nothemba und Ann höchst interessant.

 

Mit Stolz hat er natürlich auch seine Familie präsentiert. Das Lachen der Kinder stammt eindeutig vom Vater.

 

 

Zum Abschied haben wir noch eine Maske geschenkt bekommen. Benin ist ja Voodoo-Land und diese Maske soll vor bösen Geistern schützen. Und es wirkt! Die Maske hängt heute bei uns im Garten und wir hatten seitdem keine bösen Geister. Hatten wir zwar vorher auch nicht, aber man weiß ja nie…

 

 

Am Ende haben uns die Frauen noch zu leckerem Schmalzgebäck eingeladen. Sie haben sich sehr gefreut, dass wir uns für ihr Leben interessiert haben. Es war wirklich sehr beeindruckend, wie die Menschen hier mit allen Schwierigkeiten umgehen und dabei so eine große Lebensfreude haben. Eine Townshiptour ist sicher nicht jedermanns Sache, aber mit offenem Herzen kann man sehr viel dabei mitnehmen und die Dinge erscheinen in ganz anderem Licht. Es macht nachdenklich und auch demütig. Und wenn man dann die Klagen von Hartz IV Empfängern, die sicher zum großen Teil berechtigt sind, im deutschen Fernsehen sieht, so kann es sein, dass man diese als etwas befremdlich betrachtet.

 

Heute wohnt Nothemba bereits glücklich in ihrem neuen Haus und ist noch mit dem Innenausbau beschäftigt, aber das Badezimmer ist schon komplett. Ann kümmert sich immer noch um die Hausprojekte, aber sie hat auch auf dem Schulgelände einen Gemüsegarten für die Versorgung der Einwohner angelegt und wenn alles gut läuft soll sogar noch was zum Verkaufen übrig bleiben.

 

Ja, es gibt noch viel zu tun, aber das Land ist im Wandel und wer weiß, vielleicht schaut er ja in eine bessere Zukunft. Wir wünschen es ihm und werden die Entwicklung weiter verfolgen.

 

 

 

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