Von: Karl-Heinz Wollert [info@wolli-online.de]
Gesendet: Donnerstag, 15. April 2010 17:10
Betreff: Die Sterne der Karoo

Hallo zusammen,

nun sind schon wieder mehr als 6 Wochen seit dem letzten Newsletter vergangen und bei uns wird es langsam herbstlich, es hat schon die ersten Regenschauer gegeben, aber ansonsten ist das Wetter noch sehr angenehm.

 

Heute möchte ich von einem Ausflug nach Sutherland berichten, das ist ein kleines Nest mitten in der Halbwüste Karoo. Es liegt 110km abseits der Hauptstraße und im Umkreis von 250km gibt es keinen größeren Ort. Daher ist es auch eine lange, aber schöne Anfahrt.

 

 

Sutherland gilt als der kälteste Ort in Südafrika, das Jahresmittel beträgt 3 Grad (Hat jemand gesagt, Afrika ist ein heißer Kontinent?). Auch bei unserem Besuch fiel das Thermometer auf -1 Grad, wir hatten darum  unsere alten Skiklamotten wieder rausgekramt. Hier scheint die Zeit stehen geblieben zu sein, die Geschäfte haben noch über Mittag zu und Benzin gibt es nur nach Absprache zwischen 11:30 und 12 Uhr. Außer einer hübschen Kirche und ein paar kleinen Pensionen hat der Ort auf den ersten Blick nichts zu bieten.

 

 

Aber darum waren wir auch gar nicht dort, sondern wegen SALT, das steht für „Southern African Large Telescope“ und ist das größte Teleskop der südlichen Hemisphäre mit einem 11m Spiegel. Es steht auf einem Hügel 17km außerhalb der Stadt und ist Bestandteil des „South African Astronomical Observatory“. Dort angekommen, wundern wir uns zunächst über die vielen Teleskope, insgesamt sind es 13, die von verschiedenen Ländern, u.a. auch Deutschland, betrieben werden.

 

 

 

Hier besichtigen wir zunächst ein herkömmliches Teleskop mit einem 1,9m Spiegel, welches bereits 1936 gebaut wurde, aber heute natürlich mit den modernsten Messgeräten bestückt ist.

 

 

 

Hier sieht man deutlich, welcher gewaltige Aufwand für die Mechanik schon bei einem relativ kleinen Spiegel erforderlich ist. Dieser ist ja das schwerste Teil und wird sehr aufwändig aus extrem dickem Glas gefertigt, damit er sich bei Temperaturschwankungen oder Bewegungen nicht verziehen kann. Welchen Aufwand müsste man denn erst bei einem 11m Spiegel treiben? Das wäre praktisch unbezahlbar, man ist daher bei SALT einen ganz neuen Weg gegangen. Man hat 91 kleine, dünne Spiegel zusammengefügt, die das Licht nach oben auf eine Instrumentenplattform werfen. Die Spiegelbasis kann nur gedreht, aber nicht geschwenkt werden, die Nachführung geschieht durch die Instrumentenplattform. Eine Zeichnung macht das deutlich:

 

 

 

Da hier keine schweren Teile verwendet werden, kann die ganze Konstruktion leicht gehalten werden und daher kostete SALT nur ein Fünftel des Preises für ein herkömmliches Teleskop, trotzdem mussten 32 Millionen $ auf den Tisch gelegt werden. Es steckt sehr viel HighTec darin, so wird die ganze Konstruktion über Luftlager bewegt, aber das Raffinierteste sind die Spiegel. Da sie sich durch Temperatur- oder Lageänderungen verziehen können, stecken kleine Stempel unter den Spiegeln, die mit Stellmotoren die Lage der Spiegel ausgleicht, was alle 10 Sekunden automatisch und sensorgesteuert vorgenommen wird. Hier ein Blick auf die Spiegel:

 

 

Da in der vorderen Reihe die Spiegel fehlen, kann man die Technik für die Spiegeljustage gut erkennen. Man kann auch erkennen, dass jeder Spiegel sphärisch geschliffen ist an der gekrümmten Abbildung der Stangen, die eigentlich grade sind. Die fehlenden Spiegel werden zur Zeit neu beschichtet, was alle 5 Jahre erfolgen muss (man kann die Spiegel nicht reinigen, sie würden verkratzen) und da das Teleskop 5 Jahre alt ist, musste das jetzt gemacht werden. SALT hat eine unglaubliche Auflösung und Lichtstärke. So könnte z.B. eine Euromünze in 10km Entfernung oder eine Kerzenflamme auf dem Mond erkannt werden. Dieses Instrument hat den Astronomen ganz neue Möglichkeiten erschlossen und darum wird es auch gemeinsam mit Deutschland, Indien, Neuseeland, Polen, England und den USA betrieben.

So sieht es von außen aus:

 

 

Der 34m hohe Turm an der Seite enthält den Sensor für die Spiegelausrichtung. Das Gebäude wird mit riesigen Klimaanlagen auf Außentemperatur gekühlt, damit es bei den Beobachtungen keine Luftturbulenzen durch den Temperaturausgleich gibt.

 

Warum die ganzen Teleskope hier stehen, wird einem aber erst bei Nacht klar. Durch die klare Luft und die nicht vorhandene Licht- und Luftverschmutzung gilt Sutherland als eines der weltweit besten Standorte zur Himmelsbeobachtung. Es ist schier unglaublich, wie groß der Unterschied zum lichtverschmutzten Kapstadt ist. So haben wir den Himmel noch nie gesehen, ein unendliches Meer von funkelnden Sternen, während sich die Milchstraße wie ein weißes Band über das Firmament zieht. Keine Worte können diese Schönheit beschreiben und kein Bild kann diese Eindrücke festhalten. Ich habe es trotzdem versucht:

 

 

Die diagonal durch das Bild laufende „Wolke“ ist die Milchstraße. Am rechten Bildrand sind die Magellanschen Wolken zu erkennen, unsere nächsten Nachbargalaxien, die 116.000 Lichtjahre entfernt sind. Ist das nicht unglaublich, dass man andere Galaxien mit dem bloßen Auge sehen kann? Das Bild ist ja nicht mit einem Tele-, sondern einem 11mm Weitwinkelobjektiv gemacht worden. Dass die hellen Sterne als kleine Streifen dargestellt sind, liegt nicht etwa daran, dass ich Depp das Bild verwackelt habe, sondern weil sich die Erde dreht (Belichtungszeit war 4 Minuten). Um ein scharfes Sternenbild zu machen, müsste man die Kamera an einem Teleskop mit automatischer Nachführung befestigen, das habe ich aber nicht. Wie schnell sich die Erde dreht, wird einem erst klar, wenn man den Himmel eine längere Zeit beobachtet, im folgenden Bild war es eine Stunde:

 

 

Hierzu habe ich 120 Bilder mit einer Belichtungszeit von je 30 Sekunden gemacht. Die 120 Bilder werden dann in einem komplizierten Verfahren, dessen Erklärung hier zu weit führen würde, übereinander gelegt und das ergibt dann diese Sternenspuren.

 

Die Bilder habe ich auf einer Farm nahe Sutherland gemacht, auf der die Dorfgemeinschaft eine Sternenguckernacht veranstaltet hat. Es gab astronomische Vorträge, man konnte professionelle Teleskope benutzen und mit Laserstrahlen wurden einem die Sterne gezeigt. Es war hochinteressant, dagegen ist jedes Planetarium Kinderkino.

 

Es war ein galaktisches Wochenende und noch lange werden wir die Sterne, die Stille, das HighTec-Wunder und vor allem die unglaublich freundlichen Menschen von Sutherland in Erinnerung behalten.

 

Upps, jetzt ist der Newsletter doch ein wenig lang geworden, aber wie heißt es so schön: „Wem das Herz voll ist, dem läuft der Mund über“. Wir hoffen, wir haben euch nicht gelangweilt, das nächste Mal werde ich versuchen, mich kürzer zu fassen.

 

Bis demnächst, alles Gute für euch und viele liebe Grüße vom Kap

 

Dagmar & Karl-Heinz Wollert

 

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