Von:                                            Karl-Heinz Wollert <info@wolli-online.de>

Gesendet:                                28 March 2020 11:39

Betreff:                                     Lagebericht aus Afrika

 

Hallo zusammen,

Wir hoffen ihr seid gesund und keiner hat sich dieses verdammte Virus eingefangen. Da wir deutsches Fernsehen haben, sind wir sehr gut über die Lage in Europa informiert, aber man hört dort nichts über Afrika. Darum habe ich mir gedacht, dass es vielleicht einige interessiert wie die Lage hier ist.

 

Wir haben seit heute für 21 Tage eine Ausgangssperre und das Land ist im Lockdown-Modus. Man darf nur noch aus dem Haus gehen wenn man für ein „Essential Service“ arbeitet, also in der Lebensmittelversorgung, im Gesundheits- Sicherheits- und Energiebereich usw. Alle anderen dürfen nur raus zum Lebensmitteleinkauf, zur Arzneimittelbesorgung oder zum Arzt. Aber nur alleine und in Autos darf nur noch eine Person sitzen. Kontrolliert wird das von Polizei und Militär, die in voller Stärke auf den Straßen patrollieren. Bei Nichtbeachtung kommt man sofort für ein halbes Jahr in den Knast. Der öffentliche Personenverkehr ist eingestellt, es gibt nur Ausnahmen für Essential Service Mitarbeiter. Wir haben Stand heute 1170 Infizierte und 2 Tote. Das sind relativ wenige, aber die meisten in Afrika. Warum also diese drastischen Maßnahmen? Das hat einen guten Grund: Das Virus hat die Townships erst in geringem Ausmaß erreicht und man befürchtet das Schlimmste wenn es dort richtig ausbricht. Denn die Leute leben dort sehr eng zusammen, social distancing ist kaum möglich und bei vielen ist das Immunsystem durch HIV und Tuberkulose geschwächt. Man sagt ihnen zwar, dass sie sich öfter die Hände waschen sollen, aber viele haben kein Wasser und können sich keine Seife leisten. Darum kann man jetzt Seife spenden in dem man in einen Supermarkt geht, dort Seife kauft und anschließend in eine Box legt. Die Seife wird dann von der Regierung verteilt und es werden Wassertanks aufgestellt. Wir haben auch schon vor einer Woche unseren Gärtner und unsere Putzfrau gebeten zuhause zu bleiben, nicht nur um uns, sondern auch sie zu schützen. Natürlich bezahlen wir sie weiter. Viele nehmen die Lage auch nicht ernst, denn es ist nach ihrer Meinung ja ein Virus des weißen Mannes (oder Frau) und betrifft sie daher nicht. Tatsächlich ist das Virus durch Südafrikaner eingeschleppt worden, die Urlaub in Italien oder Deutschland gemacht haben, also der Oberschicht. Man hat daher schon sehr früh Maßnahmen ergriffen, so ist die Einreise aus Krisengebieten wie Europa, China oder USA verboten worden. Ein Problem waren die Kreuzfahrtschiffe, die hatten eigentlich vor, alle Passagiere in Kapstadt auszuladen und dann langsam nach Europa zu tuckern in der Hoffnung, dass bei der Ankunft alles vorbei ist. Aber dann sind alle Häfen geschlossen worden und es durften nur die da bleiben, die schon da waren. Das war z.B. die AIDAmira, die wurde aber unter Quarantäne gestellt, weil einige Passagiere, die in Kapstadt an Bord gegangen sind im gleichen Flieger gesessen haben wie ein Besatzungsmitglied eines Frachters, der mit Corona infiziert war und die gesamte Besatzung des Frachters angesteckt hat. Ironischerweise hieß dieser Frachter auch noch MV Corona. Nach 14 Tagen durften die Leute die AIDAmira verlassen, aber nun waren alle Flüge eingestellt und sie mussten weiter warten bis die Bundesregierung Flugzeuge geschickt hat. Es waren auch schon Schulen, Universitäten usw. geschlossen worden. Dass man in Supermärkten die Handläufe der Einkaufswägen und die Hände desinfiziert war hier schon immer so um die Ausbreitung von HIV zu unterbinden. Man war also gut aufgestellt und trotzdem hat es nicht gereicht. Nun also der Lockdown. Vorgestern waren wir etwas Lebensmittel kaufen, die Regale waren völlig leergefegt. Nebenan ist ein Sportgeschäft, da ist normalerweise nicht viel los, nun war er voller Menschen und die Leute haben massenweise Hanteln, Expander usw. herausgeschleppt. Anscheinend haben die Leute nicht nur Angst vor dem Verhungern, sondern auch vor Muskelschwund. Ich muss aber zugeben, dass wir auch etwas mehr gekauft haben, nämlich Wein und Zigaretten für drei Wochen, Essentials halt. Das war aber klug, denn während des Lockdowns ist der Verkauf von alkoholischen Getränken verboten. Das war leider notwendig geworden, denn in den Townships hat man große Partys gefeiert, man musste ja nicht zur Arbeit gehen.

 

Besonders schlimm ist es, wie überall, für die Wirtschaft. Wer im normalen Angestelltenverhältnis ist hat Glück, da springt der Staat und die Arbeitslosenversicherung ein. Aber die vielen Kleinunternehmer haben ein Problem. Da Südafrika aber nicht so viel Geld hat wie Deutschland um diese Unternehmer zu retten ist der private Sektor gefragt. Es wird zu Spenden der Wohlhabenden aufgerufen und es funktioniert, so haben z.B. die reichen Familien Rupert und Oppenheimer je 1 Milliarde Rand, das sind je ca. 55 Millionen Euro gespendet. Es wird nicht reichen, aber man hält in der Krise zusammen. Es sind auch die Gesichtsmasken ausgegangen, darum gab es die Aufforderung an alle die eine Nähmaschine haben und nähen können, doch diese Masken anzufertigen aus jeglichem Material was sie auftreiben können. Jetzt rattern im ganzen Land die Nähmaschinen und wir haben bald wieder Masken. Gestern kam eine Frau aus unserer Siedlung, mit der wir eigentlich nichts zu tun haben, bei uns vorbei und schenkte uns eine Flasche Orangensaft, damit unser Immunsystem gestärkt wird. Es sind diese kleinen Dinge die etwas Licht in schwere Zeiten bringen.

 

So, das war die Lage der Nation. Wollen wir hoffen, dass der Spuk bald vorbei ist. Denn das ist ja das Beunruhigende, dass niemand weiß wie lange es dauert. Wir hoffen, dass wir alle gesund bleiben und schicken viele Grüße vom geschlossenen Kap der Guten Hoffnung.

 

Dagmar & Karl-Heinz Wollert

 

43 Mountain Fern Crescent

Fernwood Estate

Somerset West, 7130

South Africa

+27(0)21-8522494 Landline

+27(0)713537196 Mobil